„Eggerts, wir müssen reden!“ - Heute: Klassismus im Lehrerzimmer

Ein Thema, das gelegentlich in meinem Coaching mitschwingt: Klassismus und Diversität im Lehrerzimmer. Oder: Warum unsere Herkunft mit am Pult steht

Die Vorstellung, dass Bildung ein Ort der Chancengleichheit sei, gehört vielleicht zu den wirkmächtigsten Mythen unserer Gesellschaft. Und doch zeigt die Realität: Auch im Lehrerberuf reproduzieren sich soziale Ungleichheiten – subtil, hartnäckig und tief verwurzelt im Habitus.

Klassismus, verstanden als Diskriminierung aufgrund sozialer Herkunft, betrifft nicht nur Schüler*innen, sondern auch Lehrkräfte (z. B. mich). Besonders jene, die aus nichtakademischen Familien stammen, spüren früh, dass sie „anders“ sind. Sie berichten von subtilen Codes, einem Bildungshabitus, der sie nicht selbstverständlich einschließt, sondern ihnen signalisiert: „Du musst dich erst beweisen.“

Bourdieu liefert für dieses Phänomen ein machtvolles Deutungsinstrument: Bildungserfolg ist nicht bloß Ergebnis von Leistung, sondern auch vom Besitz bestimmter Kapitalsorten, kulturell, sozial, symbolisch. Wer diese nicht mitbringt, erlebt Schule nicht als neutrale Bühne, sondern als Feld symbolischer Gewalt.

Im Lehrerberuf schlägt sich dies nieder in abweichenden Selbstbildern und biografischen Brüchen, Unsicherheiten im Umgang mit Kolleg*innen, der ständigen Herausforderung, „dazuzugehören“, und einer möglichen Reproduktion klassistischer Vorstellungen im Umgang mit Schüler*innen.

Klassismus bei Lehrerinnen ruft zudem manchmal das Coaching-Thema Loyalität auf, das sich bereits im Studium, spätestens aber im Referendariat (erneut) äußert, dass jemand sich durch seinen Hochschulabschluss „höher“ gestellt sieht als viele oder alle anderen Familienmitglieder. Das hält manchmal ein langwieriges Lebensthema wach.

Gleichzeitig zeigen aktuelle Studien: Menschen aus nichtakademischen Haushalten bringen besondere Kompetenzen mit: Durchhaltevermögen, pragmatisches Handeln, Resilienz und eine Nähe zu den Lebensrealitäten vieler Schüler*innen.

Was heißt das für Bildungsorganisationen?

Wir brauchen mehr als Lippenbekenntnisse zur Diversität. Es braucht eine bewusste Auseinandersetzung mit Klassismus im Lehrer*innenberuf: Reflexion des eigenen Habitus in Ausbildung, Coaching, Sichtbarkeit für Lehrkräfte aus nichtakademischen Herkunftsmilieus – nicht als Quotenpersonen, sondern als wichtige Stimme im System.

Wer Klassismus ernst nimmt, erkennt, dass Schule erst dann ein Ort für alle wird, wenn auch die Lehrkräfte in ihrer ganzen sozialen Vielfalt gesehen, gehört und anerkannt werden.

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„Eggerts, wir müssen reden!“ - Heute: Ausstieg aus der Ameisenmühle