Herzliches Beileid! Über die Trauer nach einer Beförderung

Trauer nach einer Beförderung?

Eine Beförderung sollte doch im Grunde kein Anlass zur Trauer sein: Mit viel Engagement hat ein*e nette*r Kolleg*in auf die Beförderung hingearbeitet, mit Fleiß und Ausdauer das berufliche Ziel verfolgt. Nun ist es an der Zeit mit einem warmen Wort zu diesem besonderen Anlass gratulieren.

Rund um eine Beförderung kann es dennoch hilfreich sein, sich bewusst damit auseinanderzusetzen, was Sie verlieren werden, Abschied zu nehmen von Ihrer bisherigen Rolle. Denn die Nichterfüllung von Erwartungen ist mit Gefühlen wie Trauer durchaus vergleichbar: Die Mitbewerberin, die bei der Beförderung nicht zum Zuge gekommen ist, reagiert abweisend. Der Kollege, mit dem man bisher auch mal zwei oder mehr Bier getrunken und über die Schulleitung gelästert hat, spricht bestimmte Themen nun nicht mehr an.

Zum Vergleich: Eine Trauerrede am Grab soll erinnern, vergegenwärtigen und verabschieden. Was also verliert jemand nach der Beförderung? Nun: Die altbewährte berufliche Rolle, bestimmte Ansprüche, Einfluss auf bisherige Bereiche, Personen und Gruppen u.a. Welche sozialen Einbußen hat jemand? Kollegen sitzen ggf. nicht mehr locker neben ihm, die Pausengruppen und -gespräche verändern sich. Oft verändert sich die bisherige Zugehörigkeit, das bisherige Vertrauensverhältnis.

Eine einzelne Coachingsitzung kann bereits helfen, einen gesunden Trauerprozess in Gang zu setzen, den Prozess aber auch zu einem guten Ende zu bringen. Und: Es geht darum, zu verabschieden, nicht darum, unreflektiert und ohne hinreichenden Kontakt zu sich selbst lange Zeit nachzutrauern. Es geht hier im Sinne eines professionellen Schulmanagements vorrangig um Beförderungsämter mit Leitungsfunktion. Die Herausforderung: Rollen hängen immer von den Erwartungen verschiedener Bezugsgruppen ab. Eine besondere Situation stellt sich in meinem Coaching oft ein, wenn Menschen innerhalb ihrer eigenen Organisation befördert werden (z.B. in der Organisation Schule zur Schulleiterin, Abteilungsleiterin, Jahrgangsstufenleiterin o.ä.), dann treffen neue und alte Rollenerwartungen zumindest für eine gewisse Zeit zusammen und bedürfen der Bewusstwerdung und Klärung. Dieser Prozess der Klärung wird in beratenden und therapeutischen Kontext oft mit dem Wort Trauer umschrieben.

Bereits der Begriff Rolle wirft Fragen auf: Ist Rolle etwas, was ich mir gebe wie in einem Theaterspiel? Eher nicht. Dahrendorf definiert die soziale Rolle als Bündel von Erwartungen an das tatsächliche Verhalten von Rolleninhabern. Erwartungen bringen soziale Normen in den Köpfen der Bezugspersonen zum Ausdruck.

Zu einem sog. Intrarollenkonflikt kommt es, wenn sich die Erwartungen der verschiedenen Bezugsgruppen innerhalb einer Rolle nicht vereinbaren lassen - z.B. die bisherige Kollegin Astrid Müller als symmetrisches Mitglied der Fachgruppe Englisch, die mit anderer Sicht an die Arbeit (z.B. Zweitkorrekturen, Erfüllung von Bildungsplänen, Leistungsbewertung, Erfüllung der Pausenaufsicht) ging und gehen konnte als die jüngst beförderte Abteilungsleiterin Astrid Müller, die eigene und auch Erwartungen Ihres Dienstherrn bedenken, am besten aber auch frühzeitig bei der Aufgabenübertragung klären sollte. Die stille Randbemerkung „Die Astrid ist gar nicht mehr wie früher, irgendwie so anders“ bringt den Konflikt auf den Punkt, unter dem manche Leitungsmitglieder in der ersten Phase oder länger leiden können, v.a. wenn die eigene Rollenklarheit noch nicht hinreichend ausgeprägt ist.

Bei sog. Interrollenkonflikten hingegen geht es um widersprüchliche Erwartungen zwischen den verschiedenen Rollen einer Person. Dies wird besonders dann zu einem Problem, wenn zwei Rollen gleichzeitig eingenommen werden: Astrid möchte einerseits die gute alte Kollegin sein, mit der man auch mal ein Bier trinken und quatschen kann, aber zugleich gewissenhaft ihre neue Rolle bekleiden. Letzteres ist übrigens eine (berechtigte) Erwartung der Kolleg*innen und der Schulleitung. Bei dieser Art des Konflikts geht es um widersprüchliche Erwartungen zwischen den verschiedenen Rollen einer Person. Dies wird besonders dann zu einem Problem, wenn zwei Rollen gleichzeitig eingenommen werden, die in einem Konflikt zueinander stehen.

„Everybody's-Darling“-Versuche werden sehr treffend mit "Harmoniefalle" beschrieben, in die Stelleninhaber*innen unweigerlich tappen.

Mögliche Fragen im Coaching können sein:

Was hat jemanden in seiner bisherigen Karriere erfolgreich gemacht? Kann sie/er in der neuen Position erfolgreich sein, wenn sie/er sich nur auf diese Stärken verlässt? Wenn nicht, welche neuen Fähigkeiten sollte sie/er jetzt ausbauen?

Gibt es in der neuen Position Aufgaben, die für einen Erfolg entscheidend sind, die sie/er aber lieber vermeidet? Warum? Wie lassen sich solche „Vermeidungen“ ausgleichen?

Was kann die Führungskraft tun, um den Sprung in die neue Position innerlich umfassend zu vollziehen?

Welche Ressourcen lassen sich noch mobilisieren, welche wären erfolgreich?

Link: https://www.computerwoche.de/a/gestern-kollege-heute-chef,2363684,2


https://www.birgittam-schulte.de/download/Von_der_Kollegin_zur_Managerin-KuS-03-2008.pdf

Buchtipp (auch für Führungskräfte hilfreich):

Astrid Schreyögg: Coaching für die neu ernannte Führungskraft. VS Verlag für Sozialwissenschaften.

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Wenn einem ganz schwindelig wird: Alle wollen ‘was von mir!

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O Captain! My Captain! Schulleitung in Metaphern