„Eggerts, wir müssen reden!“ - Heute: Butter bei die Fische. Oder: Wenn sich jemand mit einem Konflikt unwohl fühlt, kann der Konflikt dennoch für die Organisation wertvoll sein.

Schule ist ein Ort, an dem viele Interessen, Erwartungen und Persönlichkeiten aufeinandertreffen, und somit ein Raum, in dem Konflikte unvermeidlich sind. Ob zwischen Lehrkräften und Eltern, zwischen Lehrkräften und Schülerschaft oder Konflikten zwischen Lehrkräften untereinander resp. zwischen Lehrkräften und Schulleitung. Vorweg: Konflikte gehören zum System.

Dabei ist wichtig, dass nicht jeder Konflikt für die Organisation nützlich ist. Persönliche Konflikte unter Lehrkräften beispielsweise laufen gelegentlich unabhängig vom sozialen System, und ihre Thematisierung will gut überlegt sein. Gleichzeitig kann die Nichtbearbeitung eines Konflikts neue Konflikte an anderer Stelle erzeugen. Leitungshandeln heißt hier oft Paradoxiemanagement.

In vielen Schulen finden sich nun rund um das Feld Konflikte unreflektierte Muster: Pflege einer hartnäckigen Vermeidungskultur - Konflikte werden vertagt, „dekoriert“ (Ralf Vorschel), aber nicht bearbeitet -, Hang zur Schnellberuhigung (Konflikte werden scheinbefriedet, bevor klar ist, worum es überhaupt geht) und – ganz wichtig! – Mangel an Erkenntnis: Kaum jemand schaut gezielt auf den Nutzen, den ein Konflikt für das System stiften kann.

Geradezu hinderlich sind Menschen, die unbedingt Konsens brauchen, sie sind oft genug sogar Ursache für unproduktive Konflikte. Denn dann entsteht oft Streit über die Notwendigkeit von Konflikten. Das macht die Situation anspruchsvoller, als wenn man sich einig ist, dass es etwas zu klären gibt. Kurz: Die Fixierung auf Konsens kann Konflikte erzeugen und weiter antreiben. Wichtig ist ebenso die tiefe Anerkennung, dass nicht alle Konflikte lösbar sind.

Was braucht es für einen Konflikt? Wenigstens zwei Zutaten: ein gemeinsames Ziel und wechselseitige Abhängigkeit. Er zeigt an, dass es noch etwas zu lernen gibt: für die Beteiligten - und für die Organisation. Konflikte sind somit nicht das Problem, sondern die Lösung. Sie sind schlicht ein Versuch des Systems, sich zu verändern und markieren Übergänge von stabiler zu instabiler und wieder zu stabiler Ordnung. Ergo: Keine Evolution ohne Konflikte.

Dumm nur: Konflikte erzeugen unangenehme Gefühle, und wirksame Konfliktberatung ist selbst konflikthaft. Doch der Weg hinaus führt nur hindurch. Und ja: Konflikte können sich verselbstständigen, indem sie durch die Dynamik des Konfliktes selbst aufrechterhalten werden (Position A bringt sich im Brustton gegen Position B in Stellung). Kommunikation ist eine sich selbsterhaltende Operation, die existiert, solange sie durch Anschlusskommunikation fortgesetzt wird. Ein Konfliktsystem lebt dann fort, indem immer neue Äußerungen, Reaktionen und Schweigen die Anschlusskommunikation herstellen. Das kann übrigens auch die windelweiche, wertschätzend daherkommende Konfliktvermeidung auf Kuschelkurs und auf Gegenseitigkeit sein. Und Konflikte schaffen wie nebenbei soziale Grenzen, indem sie Gruppen oder Individuen gegeneinander positionieren. Dies fördert die Identitätsbildung innerhalb der jeweiligen Konfliktparteien, macht die Angelegenheit indes komplexer.

Konflikte entwickeln von sich aus keine kreative Kraft. Es ist das Umgebungssystem, das darüber entscheidet, ob ein aus ihm entstandener Konflikt dazu anregen kann, eine andere Form anzunehmen. Entscheidend ist, ob das System sie in der weiteren Kommunikation produktiv mitnehmen kann. Erste Schritte: Respekt für die Anwesenheit der anderen Partei (klingt banal, ist aber ein essentieller Schritt), dann kleine gemeinsame Schritte, Ausloten von Maximalpositionen, leichte Bewegung auf beiden Seiten, dabei hintergründige Interessen vor oberflächlichen Forderungen sehen (Harvard-Konzept). Die Methoden reichen von professionellen (!) Klärungsgesprächen mit Eltern über Einzelcoaching (Stuhlarbeit, Arbeit mit dem Systembrett, mit Aufstellungsformaten) bis hin zu Mediation zwischen Lehrkräften und Schulleitung.

Butter bei die Fische!.

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„Eggerts, wir müssen reden!“ - Heute: Ein Dreieck hat keine Spitze